Weltfrauentag 2022 – So stark ist die weibliche Gründerszene in Graz

Immer mehr Frauen finden den Weg in die Selbstständigkeit – und zeichnen sich beim Gründen durch Innovation, Durchhaltevermögen und einen besonders starken Willen aus. Nicht umsonst sind mehr als 50 % der Neugründungen im Jahr 2020 auf Frauen zurückzuführen. Dennoch ist die Frauenquote in Bezug auf Startups mit insgesamt nur 18 % noch lange nicht so hoch, wie wir uns das in der heutigen Zeit wünschen würden. Anlässlich des Weltfrauentages 2022 haben wir drei Gründerinnen, die bereits in der Startup-Szene Fuß fassen konnten, gefragt, wie sie ihren Weg bis zum jetzigen Zeitpunkt beschritten haben, wo ihre größten Herausforderungen lagen und wie sie die Chancen für Frauen sehen, die in Zukunft gründen wollen.

bettilicious

Bettina Ganglberger ist Foodbloggerin, Buchautorin und Geschäftsführerin ihrer eigenen veganen, zuckerfreien Produktlinie. In ihrem Blog und auf sozialen Netzwerken teilt sie ihre Leidenschaft für gesundes Essen und einfache, leckere Rezepte. Ihren Fokus legt sie dabei auf kreative vegetarische und vegane Gerichte. Ihr Motto: “Weil gesund naschen so einfach sein kann!”

Wie war dein Weg bis zur Gründung? 

Der Weg begann schon vor ein paar Jahren, als ich mich zum ersten Mal mit der Thematik auseinandersetzte. Hier habe ich den Gedanken aber schnell wieder verworfen, weil der ganze Bereich der Lebensmittelherstellung, wenn man zu Hause keine nach den Hygienerichtlinien ausgestattete Küche hat, nicht so einfach umzusetzen ist. Zusätzlich hat mich auch das ganze Steuerthema etwas überfordert und im Großen und hätte sich die nebenberufliche Selbstständigkeit für mich nicht gelohnt. Durch meinen wachsenden Instagram-Kanal habe ich mich Anfang letzten Jahres wieder verstärkt mit der Thematik auseinandergesetzt und ein erstes Gespräch beim Gründerservice der WKO in Anspruch genommen. Der nächste Weg führte zum Vorgesetzten, um die nebenberufliche Tätigkeit abzuklären. Diese wurde mir in der Firma nicht genehmigt, somit habe ich nach einigen Überlegungen  meinen Job gekündigt, 4 Monate lang das Unternehmensgründungsprogramm in Anspruch genommen und im Dezember 2021 gegründet.

Was waren deine größten Stolpersteine bis jetzt und wie würdest du jetzt mit ihnen umgehen?

Da meine Selbstständigkeit noch recht frisch ist, hatte ich zum Glück noch keine so großen Stolpersteine. Aber die größte Herausforderung in Bezug auf meine Lebensmittelerzeugung war auf jeden Fall das Thema mit den passenden Verpackungen und die richtige Etikettierung. Als allgemeinen Stolperstein, wenn man das so bezeichnen kann, würde ich die Work-Life-Balance sehen. Als Einzelunternehmerin und gerade, wenn man viel selber machen will, um auch Kosten zu sparen, mutet man sich oft viel zu viel zu. Hier musste ich schnell feststellen, dass der Tag auch nur eine begrenzte Anzahl an Stunden zur Verfügung hat, und ich ertappe mich immer wieder dabei, mir viel zu viel vorzunehmen und dies dann in der Realität nicht umsetzen zu können.

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, um erfolgreich zu sein?

Durchhaltevermögen, Leidenschaft, Authentizität & sein WARUM kennen und fokussiert arbeiten zu können.

Was ist deiner Meinung nach das Beste daran, selbstständig zu sein?

Das zu machen, wofür man wirklich brennt, und genau diese Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Was zeichnet Frauen in der Arbeitswelt deiner Meinung nach besonders aus?

Ich liebe es, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Hier entsteht immer eine tolle Energie, die Ideen werden kreativ und schnell umgesetzt und ein Projekt wird laut meiner Erfahrung immer super organisiert und strukturiert abgearbeitet und so ausgeführt, dass wirklich alle Beteiligten mit dem Ergebnis super zufrieden sind. Women support Women ist für mich ein Grundpfeiler in meiner Unternehmensvision.

Warum braucht die Geschäftswelt mehr Frauen in Führungspositionen?

Um eine Balance in der Führungsebene bzw. in den Führungsstil zu bringen, aber auch um anderen Personen ein Vorbild sein zu können. Frauen oder Mädchen sollen hier von Frauen in Führungspositionen inspiriert werden. Zusätzlich soll die Wahrnehmung erweitert werden, dass es ganz normal und notwendig ist, dass Frauen in Führungspositionen sitzen. Leider ist dies in unserer Gesellschaft noch immer nicht ganz angekommen, aber mit jeder Generation geschieht hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. 

Worauf sollten Frauen in ihrer Karriereplanung achten, um sich auf eine Spitzenposition vorzubereiten? Wo sehen Sie die größten Hindernisse?

Ich denke, dass leider immer noch das Thema mit Kinder und Kinderbetreuung einer der größten „Killer“ für Frauen in der Karriereplanung bedeutet. D.h. hier müssen flexible Möglichkeiten im Berufsleben als auch Kinderbetreuungsangebote ausgebaut werden, um Frauen besser zu unterstützen. Natürlich muss hier auch die Gesellschaft bewusster mit diesem Thema umgehen und es normalisieren, dass Frauen und Männer sich gleichberechtigt um ihr Kind kümmern. Ich glaube es ist wichtig, dass der Schritt der eigenen Kinder genau mit dem Partner oder der Partner:in besprochen werden muss, damit man eine Lösung finden kann, die für alle passt und keine Person ihre Karriere aufgeben muss.

Was ratest du Studentinnen, die in eine Führungsposition gelangen möchten?

Go for it! Es gibt keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte. Frauen sind im Berufsleben meistens besser ausgebildet als Männer und arbeiten oft doppelt so hart wie Männer, um etwas zu erreichen bzw. erreichen zu können. Leider ist es oft noch immer so, dass Frauen nicht in die Führungsetage kommen. Klare und direkte Kommunikation ist hier besonders wichtig. Sich auch etwas einfordern zu trauen, wenn man das Gefühl hat, dass dies einem zusteht, und sich nicht auf den zweiten Rang verdrängen lassen.

Welchen Tipp möchtest du anderen Gründerinnen mit auf den Weg geben?

Einfach starten und nicht zu lange grübeln. Am Anfang scheint alles immer extrem viel und man weiß oft nicht, wo man anfangen soll. Schritt für Schritt loslegen und es wird sich im Tun alles langsam auflösen und zeigen. Und ganz wichtig, wo ich mich selber auch immer wieder an der Nase nehmen muss, wenn man Hilfe braucht, sich Hilfe suchen und nicht versuchen alles immer nur alleine zu stemmen.

Hier geht es zur Webseite von bettilicious: https://www.betti-licious.at

Bettina Ganglberger von bettilicious hat ihre eigene vegane Produktlinie herausgebracht.
(Foto: Bettina Ganglberger)

 

FEMINDS

Einige von euch werden Denise Vorraber noch aus ihrer Zeit als Präsidentin des Ideentriebwerks kennen. Als selbstständige Pitch-Trainerin und Speakerin durfte sie schon auf vier Kontinenten Vorträge abhalten. Außerdem arbeitet sie als Lektorin an der FH Joanneum und ist Co-Founderin von FEMINDS, einem Frauennetzwerk für alle, die beruflich und persönlich über sich hinauswachsen wollen.

Was war deine Motivation, um zu gründen? 

Es war eigentlich nie auf meiner Bucket List zu gründen. Aber das alles hat sich 2016 geändert, als ich dem Ideentriebwerk beigetreten bin. Seitdem hab ich Tag für Tag mit leidenschaftlichen, inspirierenden Menschen zu tun gehabt und das hat dann auch mich motiviert, selber zu gründen. 

Wie war dein Weg bis zur Gründung? 

Im November 2019 habe ich einen Vortrag bei einer Female-Empowerment-Veranstaltung gehalten. Da waren 50 unglaublich coole Frauen im Saal und wir hatten einen aufregenden Erfahrungsaustausch nach meinem Vortrag. Da beschloss eine Person aus dem Publikum (jetzt meine Co-Founderin), eine WhatsApp-Gruppe zu starten, um in Kontakt zu bleiben. Danach trafen wir uns einmal im Monat, um Erfahrungen austauschen und um uns gegenseitig zu helfen. Im April 2020 kam dann Christina, meine jetzige Co-Founderin, auf mich zu und sagte “He, lass uns doch hier eine Brand aufziehen, ich sehe sehr viel Potenzial”. Ab diesem Zeitpunkt haben wir sehr viel Zeit und Energie reingesteckt. Im Mai 2021 haben wir dann offiziell die OG angemeldet. 

Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Eigenschaften, um erfolgreich zu sein?

In einem Team: Kommunikation. Grundsätzlich: Durchhaltungsvermögen. 

Was sind deine Pläne für die nächsten Monate? 

Die sind sehr groß. Wir haben für FEMINDS einiges vor. Was das genau ist, wird aber noch nicht verraten. In meinem eigenen Pitch Training und Speaking Business ist auch einiges geplant. Jetzt am 8. März (am Weltfrauentag) starte ich in meine erste Vorlesung als Lektorin bei der FH Joanneum Im Juni 2022 ist auch ein spannendes Pitch Training in der University of Cambridge geplant. Auf das freue ich mich auch schon sehr. 

Was ist deiner Meinung nach das Beste daran, selbstständig zu sein? 

Die Freiheit. Örtliche Freiheit – du kannst arbeiten, von wo du willst und wann du willst. Die Freiheit, tun und lassen zu können, was du willst. Du kannst dir deine Kund:innen und Projekte aussuchen. Finanzielle Freiheit – du kannst selbst bestimmen, wie viel du verlangen willst.

Was zeichnet Frauen in der Arbeitswelt deiner Meinung nach besonders aus und warum braucht es sie mehr in Führungspositionen? 

Ich finde, es braucht grundsätzlich mehr Diversität in den Führungspositionen, egal was Frauen auszeichnet oder nicht. 

Worauf sollten Frauen in ihrer Karriereplanung achten, um sich auf eine Spitzenposition vorzubereiten? Was raten Sie Studentinnen, die in eine Führungsposition gelangen möchten? 

Ich finde, es liegt mehr in der Hand der Männer in den jetzigen Führungspositionen, dass sie Frauen auch die Chance geben. Du kannst dich als Frau top vorbereiten und super qualifiziert sein, und du wirst trotzdem nicht in den Boys-Club gelassen. Ich finde auch, wir sollten aufhören zu fragen, was wir als Frauen tun können, um noch besser zu sein, und uns mehr die Frage stellen, was können Männer tun, um mehr Frauen in Führungsebenen zu heben. 

Wie läuft es für dich als Gründerin im Jahr 2022? Was hat sich im letzten Jahr für dich und deine Firma verändert? 

Uns hat Corona definitiv bestärkt, mehr in Richtung Online-Business zu gehen. Damit sind wir einfach ortsungebunden und freier. Wir versuchen aber zwischendurch immer wieder auch Live-Events abzuhalten, aber zu 80-90% ist alles online. Bei mir als Pitch Trainerin waren es auch positive Trends zu Online-Pitch-Trainings. Dadurch konnte ich auch in einigen Ländern Pitch Trainings abhalten und somit noch viel mehr Personen helfen, sich besser auf den Bühnen der Welt zu präsentieren. 

Welchen Tipp möchtest du anderen Gründerinnen mit auf den Weg geben?

Sucht nach Gleichgesinnten. Die Reise im Unternehmertum kann oft einsam sein. Vor allem wenn man allein gründet und wenn dann die ganzen Stolpersteine kommen, tut man sich einfacher, wenn man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann

Hier geht es zur Webseite von feminds: https://www.feminds.io

Denise Vorraber von Feminds bei einem unserer Startup Spritzer. (Foto: Denise Vorraber)

WAIBROsports

Katerina Sedlackova ist seit 7 Jahren aktiv als Begleitsportlerin im Langlaufsport und Laufsport tätig. Als einmal bei der alljährlichen organisierten Langlaufwoche für den Blindensportverein viele Begleitsportler ausgefallen sind, fiel ihr auf, wie abhängig Blinde und Sehbehinderte von ihren Begleitern sind. Sie stellte sich die Frage, ob es eine Möglichkeit gebe, einen digitalen Begleitsportler zur Verfügung zu stellen. Deshalb startete sie WAIBROsports und entwickelte einen Kommunikationsgurt, welcher es blinden und sehbehinderten Sportler:innen und Hobbysportler:innen ermöglicht, selbständig und unabhängig von Begleitsportler:innen auf Sportlaufbahnen ein Lauftraining zu absolvieren.  

Was war deine Motivation, um zu gründen?

Die Gründung war fast ein „Unfall“. Ich dachte nie daran, gründen zu wollen. Durch einen Ideenwettbewerb kam ich zum Science Park Graz und dem Startup-Academy-Programm. Obwohl ich zu dem Zeitpunkt vehement nicht selbständig werden wollte, war ich von meiner Vision durchaus überzeugt und wollte es versuchen, als ich die Möglichkeit bekommen habe. Ab und zu braucht man einen kleinen Motivationsschub seiner Umwelt – für diesen einen Zufall bin ich mehr als dankbar heute, da es genau das ist, für das ich brenne. Das Beste daran, selbstständig zu sein, ist, dass man seine Ideen verwirklichen und in der Welt etwas bewegen kann.

Wie war dein Weg bis zur Gründung?

Mein kreativer Werdegang startete 2011 mit dem Studiengang „Intermedia“ an der FH Vorarlberg in Dornbirn. Anschließend sammelte ich zwei Jahre Erfahrung als Grafikerin in den Marketingabteilung zweier industrieller Unternehmen. 2016 ging ich wieder meiner Leidenschaft für Mensch-Maschinen-Schnittstellen nach und spezialisierte mich im Masterstudiengang im Fachbereich „Interaction Design“ an der FH Joanneum. Seit meinem Abschluss im Oktober 2018 bin ich, neben dem Aufbau meines Startup WAIBRO, bei der Firma Alphagate GmbH als Interface und User Experience Designerin für industrielle Bedienkonzepte tätig.

Was waren deine größten Stolpersteine bis jetzt und wie würdest du jetzt mit ihnen umgehen?

Meine größte Herausforderung war es bisher, das richtige Team aufzustellen. Ich würde womöglich nicht anders mit dieser Herausforderung umgehen können, da dies ein Prozess war, der seine Zeit gebraucht hat. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Durchhaltevermögen, Geduld, Hausverstand und eine gute Portion Mut sind die wichtigsten Eigenschaften, um erfolgreich zu sein.

Was zeichnet Frauen in der Arbeitswelt deiner Meinung nach besonders aus und warum braucht es sie mehr in Führungspositionen?

Meiner Meinung nach ist die größte Schwäche von klugen Frauen gleichzeitig ihre größte Stärke: Sie zweifeln – aber hinterfragen auch gründlich die Sinnhaftigkeit und das gegebene Potenzial. Kombiniert mit der richtigen Portion Mut lassen sich so auch nachhaltige und robuste Projekte umsetzen, die verweilen sollen.

Worauf sollten Frauen in ihrer Karriereplanung achten, um sich auf eine Spitzenposition vorzubereiten? Was raten Sie Studentinnen, die in eine Führungsposition gelangen möchten?

Das Wichtigste an Führung ist die Offenheit und Geduld. Offenheit und Geduld für Neues und für seine Mitmenschen sprich Mitarbeiter – aber insbesondere auch für sich selbst. In den letzten vier Jahren habe ich durch viele Situationen, mit denen ich unzufrieden war, nur durch Selbstreflektion lernen können und dadurch die Umstände um mich verändert.  

Siehst du es als Aufgabe, mehr für die Gleichstellung von Frauen zu tun?

Ich würde es eher als Aufgabe sehen, mehr Frauen zu motivieren, an sich selbst zu glauben und für ihre Überzeugungen einzustehen und ihre Talente zu nutzen.

Wie läuft es für dich als Gründerin im Jahr 2022? Was hat sich im letzten Jahr für dich und deine Firma verändert?

Bei uns hat sich die letzten zwei Jahre extrem viel bewegt, das Team ist gewachsen, das Produkt ist gereift. Es gab Höhen und Tiefen und Zweifel, aber wir haben nicht aufgegeben – und es hat sich ausgezahlt. Heuer wollen wir endlich unser lang ersehntes Ziel erreichen – die Marktreife.

Welchen Tipp möchtest du anderen Gründerinnen mit auf den Weg geben?

Ab und zu muss man ein paar Umwege schlagen, um sein Ziel zu erreichen. Gelassenheit und Flexibilität öffnen meistens unerwartete Türen.

Hier geht es zur Webseite von WAIBROsports: https://de.waibrosports.com

Katerina Sedlackova von WAIBROsports hat bereits bei einem unserer Events gepitcht. (Foto: Ideentriebwerk)

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